Rom. Nach langer Zeit sind die privaten Schutzräume Mussolinis wieder zugänglich. Besucher müssen sich auf harte Erlebnisse gefasst machen

Die Atmosphäre ist gruselig: Steile Treppen führen die Besucher sechs Meter tief. Es geht hinunter in den historischen Mussolini-Bunker in Rom. Ein Gefühl der Enge entsteht in den 15 Meter langen, kreisförmigen Tunneln, die durch eine vier Meter dicke Stahlbetonwand geschützt sind. Der Bunker gilt als Beispiel innovativster Technik.

81 Jahre nach Baubeginn sind die privaten Schutzräume des italienischen Diktators Benito Mussolini wieder zugänglich. Eine Attraktion Italiens, die reichlich Besucher anlockt. Führungen setzen so sehr auf Authentizität, dass sich bei den Interessierten eine beklemmende Stimmung breitmacht. Manche halten sich sogar die Ohren zu, als das Geheul von Sirenen ertönt.

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Dann scheint es, als wären Flugzeuge ganz nah über einem. Ein Luftangriff wird simuliert, es gibt Detonationen und Bodenerschütterungen. Die Besucher zucken zusammen.

Videoaufnahmen zeigen im Mussolini-Bunker Szenen des Grauens und der Bombardierung Roms.
Videoaufnahmen zeigen im Mussolini-Bunker Szenen des Grauens und der Bombardierung Roms. © picture alliance / ipa-agency | Piero Tenagli

Die Menschen wirken erschüttert von der Simulation des Krieges. Erst Erklärungen über den Bau versachlichen die emotional aufgeladene Situation: Die Decke des Bunkers besteht aus einer vier Meter dicken Stahlbetonschicht, die Außenwände sind 120 Zentimeter dick. Eine Belüftungsanlage sicherte bei Giftgasangriffen frische Atemluft bis zu sechs Stunden für 15 Personen. Auch erfahren die Besucher, dass der Bunker nie genutzt wurde, da er beim Sturz Mussolinis am 25. Juli 1943 noch nicht fertiggestellt war.

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Das Szenario des Schreckens soll Geschichte erfahrbar machen, erklärt die Reiseführerin: „So erhält man eine Ahnung von den Gefühlen der Menschen, die sich vor einem Bombenangriff in die Luftschutzkeller flüchten mussten.“ Diese Ahnung wird mehr als vermittelt. Carmela begleitet eine Gruppe von 20 Besuchern durch den Bunker. Überall lauern Dunkelheit, Feuchtigkeit und ein Gefühl der Beklemmung.

Mussolini: So feierte der Diktator in der Villa Torlonia

Es gibt nicht nur Bombengedröhne. Per Video und historischen Fotos erfahren die Besucher auch vieles aus dem prallen Leben des Diktators in der Villa Torlonia. Von 1925 bis 1943 lebte der Duce mit seiner Familie in der prächtigen Residenz. Hier veranstaltete er Feste, organisierte politische Treffen, feierte die Hochzeit seiner Tochter Edda mit dem faschistischen Politiker Galeazzo Ciano und beteiligte sich, sportbegeistert wie er war, an Tennismatches und Reitübungen.

Besucher des Mussolini-Bunkers sollen hautnah das Schicksal der Menschen, die damals in Luftschutzbunkern Schutz suchten, nachempfinden können.
Besucher des Mussolini-Bunkers sollen hautnah das Schicksal der Menschen, die damals in Luftschutzbunkern Schutz suchten, nachempfinden können. © picture alliance / ipa-agency | Piero Tenagli

Der Kontrast zu den Bildern des Bombenangriffs auf Rom im Jahr 1943 könnte stärker nicht sein. Sie wühlen auf und wecken Erinnerungen an das, was Familien durchleben mussten. Ein älterer Herr aus Rom ringt um Fassung und sagt: „Meine Schwester, die heute 87 Jahre alt ist, wurde als Sechsjährige in einen Luftschutzkeller gebracht, um sich vor den Bombenanschlägen zu retten. Noch heute erinnert sie sich an die große Angst, die sie damals fühlte.“

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Auch die Beiträge von Wochenschauen aus dieser dramatischen Zeit, die die Bombardierung Roms, insbesondere den Angriff auf den Stadtteil San Lorenzo, zeigen, führen zu tiefer Trauer bei den Besuchern.

Mussolini-Bunker: Die Besucher müssen harte Momente ertragen

Die Ausstellung, die von den Historikerinnen Federica Pirani und Annapaola Agati in Zusammenarbeit mit dem römischen Kulturamt und der Gesellschaft Zetema im Mussolini-Bunker organisiert wurde, geht mit vielen Details in die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurück. Auch dank der Videobeiträge des Filminstituts Istituto Luce wird eine der dunkelsten und dramatischsten Seiten der Stadt Rom beleuchtet, die von Juli 1943 bis Mai 1944 51 Luftangriffen ausgesetzt war.

Drei Räume zeigen mit einer Reihe von Videos, wie sich das Leben in einem Luftschutzkeller während eines Bombenangriffs in Rom abspielte. Auf die Böden des Bunkers werden Ansichten der Ewigen Stadt aus der Vogelperspektive projiziert, wie sie sich den Piloten der Kampfflugzeuge, die Rom bombardierten, dargestellt haben müssen.

Zahlreiche Besucher zieht diese Erinnerungsarbeit in den Mussolini-Bunker zur Villa Torlonia, die eine bewegte Geschichte hat: Gebaut wurde sie im 19. Jahrhundert auf Wunsch von Herzog Giovanni Torlonia in Rom. Nach dem Sturz Mussolinis wurde das Gebäude von 1944 bis 1947 als amerikanische Soldatenunterkunft genutzt. Dabei verfiel das Gebäude komplett.

Im Park der Villa soll ein Holocaust-Museum entstehen

Die Stadt Rom, in deren Eigentum sich die Villa seit 1978 befindet, wusste nie so recht, was sie mit diesem Erbe anfangen sollte. Erst in den vergangenen Jahren wurde die ehemalige Residenz komplett restauriert und ist seit 2006 für die Öffentlichkeit zugänglich.

Der Mussolini-Bunker befindet sich unter der Villa Torlonia. Führungen bringen Besucher hinab zu den verschlungenen Tunnelsystemen.
Der Mussolini-Bunker befindet sich unter der Villa Torlonia. Führungen bringen Besucher hinab zu den verschlungenen Tunnelsystemen. © picture alliance / ipa-agency | Piero Tenagli

Der Park der Villa ist ein beliebter Treffpunkt der Römer. Er soll mehr sein als ein Ort zum Relaxen unter Bäumen. Der Park soll ein Ort der Erinnerungskultur werden. Bald soll hier ein Holocaust-Museum entstehen. Zehn Millionen Euro investiert der italienische Staat in das Projekt. Im Museum sollen Erinnerungsstücke, Fotos und Filme über die deutsche Besatzungszeit an die Schreckensherrschaft erinnern.

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Dass der Bunker überhaupt gebaut wurde, lag daran, dass der Duce ahnte, wie sehr sein Leben in Gefahr war. Am 13. Juli 1943 wollte der britische Marschall Charles Portal Benito Mussolini mit zwei simultanen Bombenattacken in Rom vernichten. Operation „Dux“ hieß der Plan, mit dem Großbritannien den faschistischen Diktator töten wollte. Ein Fliegerangriff sollte Mussolinis Hauptquartier im Palazzo Venezia im Herzen der Ewigen Stadt zerstören. Ein zweiter Angriff sollte sich gegen seine private Residenz in der Villa Torlonia richten.

Ausgeführt wurde die Blitzattacke auf Mussolini nicht, doch die Alliierten, die die erfolgreiche Landung auf Sizilien abgeschlossen hatten, griffen am 19. Juli 1943 mit einer Bomberflotte das römische Viertel San Lorenzo hinter dem Hauptbahnhof an. Bei der massiven Bombardierung kamen 3000 Zivilisten ums Leben, weitere 11.000 wurden verletzt.

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