Potsdam/Hamburg. Ein SPD-Politiker wird beim Anbringen von Wahlplakaten verletzt. Innenminister reagieren mit Sondersitzung und zeigen Einigkeit.

Die Innenminister von Bund und Ländern halten zum besseren Schutz von Politikern und Wahlkämpfern auch eine Verschärfung des Strafrechts für sinnvoll. Das sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), nach einer Videokonferenz. Die Ressortchefs unterstützten nach seinen Angaben zwei Bundesratsinitiativen aus Bayern und Sachsen. Anlass für die Konferenz waren vor allem gewaltsame Angriffe wie auf den sächsischen SPD-Europapolitiker Matthias Ecke im Wahlkampf in Dresden.

Die Innenminister verurteilten die Angriffe. „Die erneuten Übergriffe stehen für eine gesellschaftliche Entwicklung, mit der die Menschen nicht nur mit Worten, sondern mit Gewalt, Hass und Hetze politische Ziele durchzusetzen versuchen“, sagte Stübgen. „Das gefährdet unsere Demokratie, unseren freiheitlichen Rechtsstaat insgesamt.“ Es könne Menschen Angst machen, ihre Meinung zu sagen und sich einzusetzen. „Die Polizei kann dabei die Verrohung im politischen Diskurs nicht alleine verhindern.“ Nötig sei eine breite gesellschaftliche Diskussion, die weit über die Zuständigkeit der Innenminister hinausgehe.

Nach Angriff auf SPD-Politiker: Schärferes Strafrecht prüfen

Die Innenminister stellten sich hinter eine Bundesratsinitiative von Bayern aus dem vergangenen Jahr, die eine höhere Strafzumessung zum besseren Schutz von ehrenamtlich aktiven Menschen vorsieht. Sie warben auch für eine Bundesratsinitiative Sachsens, die das Kabinett erst beschlossen hatte. Im Kern geht es dabei um einen neuen Straftatbestand, der die Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern durch politisches Stalking ahnden soll. Damit sollen Entscheidungsträger gerade auch auf kommunaler Ebene vor bedrohlichen Übergriffen auf ihr Privatleben geschützt werden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Wir erleben hier eine Eskalation antidemokratischer Gewalt.“ Die Polizei könne nicht überall sein. „Aber sie kann Schutzkonzepte anpassen.“

Der SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl in Sachsen, Matthias Ecke, war am Freitag von vier jungen Männern im Alter von 17 und 18 Jahren zusammengeschlagen worden, als er Wahlplakate anbringen wollte. Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen rechnet zumindest einen dem rechten Spektrum zu. Kurz vor dem Angriff auf Ecke hatte laut Polizei mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe einen Grünen-Wahlkampfhelfer verletzt.

Statistik zeigt mehr Straftaten gegen Abgeordnete

Im Jahr 2023 gab es laut Faeser 2710 Straftaten gegen Mandatsträger, 53 Prozent mehr als im Vorjahr. Sie betonte: „Auch Angriffe gegen AfD-Politiker sind nicht hinnehmbar.“ Sie sprach von einer „Eskalation antidemokratischer Gewalt“. Die Ministerin sagte: „Wir müssen die Mitverantwortung derer auch sehr deutlich benennen, die vor allem vom rechten Rand aus immer hemmungsloser und skrupelloser“ Menschen anfeindeten und diffamierten. Diese Spirale von Hass und Gewalt müsse gestoppt werden.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) rief Bürgerinnen und Bürger auf, der Polizei Hinweise zu geben, auch auf die Zerstörung von Wahlplakaten. Die Verschärfung von Gesetzen habe zwar nicht den Schwerpunkt der Beratungen gebildet, es könne aber sein, „dass wir auch das gesetzliche Schutzniveau noch einmal betrachten“.

Andy Grote: Bürger sollen Zerstörung von Wahlplakaten melden

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ermunterte Betroffene, sich frühzeitig an die Polizei zu wenden. Er sagte, niemand müsse sich Beleidigungen und Bedrohungen gefallen lassen. Frühes Einschreiten sei wichtig, um Folgetaten zu verhindern. Laut Herrmann haben die Ressortchefs vereinbart, bei der nächsten regulären Innenministerkonferenz im Juni darüber zu sprechen, ob es womöglich zusätzlicher Anstrengungen bedarf, um den Schutz aller Beteiligten rund um die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst zu gewährleisten.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief zu Solidarität mit Demokraten auf. „Demokratie braucht eine politische Kultur, die frei von Hass und Hetze und erst recht frei von Gewalt ist“, sagte Steinmeier in Müncheberg in Brandenburg. Die Sicherheitsbehörden müssten alles Erforderliche tun, um die Straftäter aufzuspüren, und die Gerichte müssten die Täter ihrer gerechten Strafe zuführen. „Aber dazu gehört auch, dass wir uns hinter diejenigen stellen, die als Demokraten ihre Verantwortung erfüllen und unsere ganze Abscheu denjenigen zeigen, die demokratische Spielregeln verletzen.“