Braunschweig. Timo Keller über das Familienleben im Klimawandel. In dieser Folge von „Familienklima“ geht es um das Recht auf Reparatur.
Wir leben in einer Wegwerf-Gesellschaft. Wer lässt schon seinen Toaster reparieren, wenn ein neues Gerät nur 15 Euro beim Elektronik-Händler des Vertrauens kostet? Laut einer Studie würden sich 76 Prozent der Befragten gegen eine Reparatur entscheiden; 32 Prozent von ihnen wegen zu hoher Kosten. Und der Aufwand erst: Gerät hinbringen, wieder abholen. Dabei kommt mit zwei, drei Klicks ein neues per Post bis an die Haustür geliefert.
Auch unseren Kindern müssen wir erst beibringen, dass Dinge einen gewissen Wert haben. Die Fernbedienung ist mal wieder vom Sofa gefallen und nun kaputt? „Kaufen wir eben eine neue“. Der Bastelkleber wurde mal wieder nicht verschlossen und ist nun ausgetrocknet? „Kaufen wir einen neuen.“ Wobei: Unsere beiden Exemplare (14 und 5 Jahre) gehören eher in die Kategorie „Jäger und Sammler“. Alles muss aufbewahrt werden, auch im defekten Zustand. Man könnte es ja nochmal brauchen für irgendwas.
In Repair-Cafés können kaputte Geräte für wenig Geld repariert werden
Im Prinzip ist das auch kein schlechter Gedanke (wenn es nur genug Ablagefläche im Haus gäbe...). Die Idee, etwas entweder einer anderen Verwendung zuzuführen oder reparieren zu lassen, ist charmant, weil nachhaltig. Ein Trend, der dies aufgreift, sind sogenannte Repair-Cafés, in denen Menschen zusammenkommen, um defekte Sachen gemeinsam wieder fit zu machen. In Braunschweig gibt es das (www.reparaturcafe-bs.de), in anderen Städten und Gemeinden auch. Eine gute Übersicht gibt‘s online auf www.reparatur-initiativen.de.
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Das ist quasi eine Win-win-win-Situation. Es schont (meistens) den Geldbeutel der Betroffenen, Bastler können ihrem Hobby frönen, und die Umwelt profitiert auch, wenn nicht jeder defekte Toaster gleich auf dem Müll landet. Nach einer Berechnung der EU, die unlängst ein „Recht auf Reparatur“ verabschiedet hat, fallen jedes Jahr 35 Millionen Tonnen Abfall an – allein weil Geräte zu früh weggeschmissen werden. Zwölf Milliarden Euro würden Verbrauchern verloren gehen, weil sie sich für neue Produkte entscheiden, anstatt die alten reparieren zu lassen.
Natürlich liegt das Reparieren nicht gerade im Interesse der Wirtschaft. Sie bedient und profitiert vom Wegwerf-Automatismus. Alle zwei Jahre ein neues Handy, alle vier Jahre ein neues Auto – bei denen, die sich das leisten können, lautet so oft die Rechnung. Ob das so sinnig ist, sollten wir (Schreibende inbegriffen!) uns hinterfragen. Vielleicht wäre es hin und wieder gar nicht so verkehrt, wir würden von den Kindern lernen und uns zu „Jägern und Sammlern“ zurückentwickeln.
Haben Sie Ideen, Anregungen oder Kritik? Schreiben Sie mir: timo.keller@funkemedien.de.
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